Konfliktlösung in Eigenregie: Wie Führungskräfte Miniklärungen wirksam umsetzen können
Erfahren Sie, wie Sie als Führungskraft mit der Methode der Klärungshilfe kleine Konflikte effektiv selbst lösen können und nachhaltige Arbeitsbeziehungen aufbauen.
KONFLIKTE IN ORGANISATIONEN
Konflikte sind in jedem Arbeitsumfeld unvermeidlich. Sie können aus Missverständnissen, unterschiedlichen Erwartungen oder einfach aus zwischenmenschlichen Dynamiken entstehen. Was jedoch den Unterschied ausmacht, ist, wie wir mit diesen Konflikten umgehen. Die Klärungshilfe nach Christoph Thomann bietet einen strukturierten Ansatz zur Konfliktlösung, der Führungskräften helfen kann, auch ohne externe Klärungshelfer substantielle Fortschritte zu erzielen.
Das Potential der Klärungshilfe – Für Führungskräfte
Die Klärungshilfe zentriert sich auf den "Dialog der Wahrheiten" und das Verständnis tief verwurzelter Gefühle und Perspektiven. Als Führungskraft haben Sie die einzigartige Position und die Möglichkeit, diesen Prozess zu initiieren und zu leiten. Aber wie gehen Sie dies effektiv an?
Vorbereitung: Der Schlüssel zum Erfolg
Keine Vorgespräche
Entgegen jeder Intuition ist es wesentlich keine Vorgespräche mit einzelnen Personen im Team zu führen. Das hat zwei Gründe:
Das gewonnene Wissen können Sie nicht weiter verwenden und bringt Sie in Ihrer Rolle als Führungskraft nur in Bedrängnis, weil die geäußerten Probleme, Spannungen und Bedürfnisse können Sie ohne die anderen Konfliktbeteiligten nur schwer lösen
Die Gefühle und Emotionen werden abgeschwächt. "Entlädt" sich ein Mitarbeiter bei Ihnen, so ist es wahrscheinlich, dass in einer späteren Klärung viele wichtige Aspekte untergehen, weil die Mitarbeitenden davon ausgehen, dass Sie diese Aspekte "auf dem Schirm" haben.
Es entsteht keinen nachhaltige Lernerfahrung. Es braucht die moderierte Konfrontation durch die Konfliktbeteiligten, damit ein nachhaltiges Lernen bzgl. der Konfliktfähigkeit entsteht.
Das Einzige, das es zu tun gilt, ist sorgfältig in Erfahrung zu bringen, welche Personen am Konflikt beteiligt sind oder die Auswirkungen des Konflikts und möglicher Lösungen mittragen (müssen).
Selbstreflexion
Bevor Sie in den Prozess einsteigen, reflektieren Sie Ihre eigene Einstellung und Gefühle zum Konflikt. Ihre innere Haltung wird maßgeblich den Ton des Prozesses beeinflussen. Fragen Sie sich:
Was sind meine Ziele im Hinblick auf diesen Konflikt?
Welche Vorurteile und Annahmen habe ich über die beteiligten Personen?
Einladung
Auch wenn Sie keinen formalen Auftrag klären müssen wie ein externer Klärungshelfer, ist es wichtig, die Rahmenbedingungen zu setzen. Informieren Sie alle Beteiligten über den Zweck und den Ablauf des Gesprächs und stellen Sie sicher, dass es genügend Zeit und einen störungsfreien Raum gibt.
Durchführung der Miniklärung
Die Anfangsphase
Setzen Sie den Ton für ein offenes und sicheres Gespräch. Teilen Sie mit, dass das Ziel des Gesprächs ist, zu verstehen und nicht zu verurteilen. Laden Sie ein zur Offenheit, auch Ihnen gegenüber als Führungskraft. Vermitteln Sie den Beteiligten ein Gefühl von Sicherheit.
Selbstklärung
Fördern Sie die individuelle Selbstklärung der Beteiligten. Jeder sollte die Möglichkeit haben, seine Sichtweise darzustellen. Hören Sie aktiv zu und stellen Sie sicher, dass Sie die Gefühle und Aussagen der Person wirklich verstehen. Dafür eignen sich Methoden wie das Visualisieren von Sichtweisen oder das Aktivieren von Bildern.
Nutzen Sie eingangsklärende Fragen, um die Beteiligten zu öffnen:
"Wie haben Sie den Konflikt wahrgenommen?"
"Was hat Sie am meisten verletzt?"
"Was macht die Situation konkret schwierig?"
"Wie kam es zu dem Konflikt?"
Ein Beispiel: Ein Teammitglied fühlt sich durch die gegebenen Deadlines unter Druck gesetzt. Anstatt sofort auf Lösungen zu drängen, fragen Sie ausführlich nach den genauen Gefühlen und Gedanken dieser Person, um zu verstehen, wie dieser Druck entstanden ist.
Wichtig ist in dieser Phase, dass die Konfliktbeteiligten nicht mit einander Einander sprechen, sondern aufmerksam zuhören. Gesprächspartner für die "Selbstklärung" sind Sie als Führungskraft. Es geht jetzt darum, dass Sie von jeder am Konflikt beteiligten Person "ins Bilde" gesetzt werden.
Dialog der Wahrheiten
Dieser Schritt ist der entscheidendste. Er ermöglicht es, die verschiedenen Wahrheiten offenzulegen und eine tiefe Klarheit zu entwickeln. Der Fokus liegt in dieser Phase auf dem Verstehen. Nicht auf dem Lösen des Konfliktes. Stellen Sie Fragen, die den Austausch fördern:
"Wie reagieren Sie darauf, dass Ihr Kollege sagt, er fühle sich nicht respektiert?"
"Glauben Sie ihr, dass sie das nicht so gemeint hat?"
Erklärungen und Lösungen
Nun treffen Sie gemeinsam Vereinbarungen und klopfen diese auf ihre Machbarkeit ab. Hier ist es wichtig, dass alle Beteiligten das Gefühl haben, dass ihre Perspektiven und Bedürfnisse ernst genommen werden. Nutzen Sie Protokolle oder Flipcharts, um die Lösungen festzuhalten. Gut ist, wenn jeder Teilnehmer ein Angebot und eine Mindestforderung formuliert.
Abschluss: Nachhaltige Ergebnisse sichern
Fassen Sie die wichtigsten Punkte und Lösungen zusammen und stimmen Sie Nachsorgetermine ab, um die Umsetzung zu überprüfen. Dies fördert die Verbindlichkeit und zeigt den Beteiligten, dass der Prozess ernst genommen wird.
Ein Praxisbeispiel
Ein Team hat Schwierigkeiten mit der Zusammenarbeit. Es stellt sich heraus, dass eine Mitarbeiterin sich ständig missverstanden und übergangen fühlt. Während der Selbstklärung beschreibt sie spezifische Situationen, in denen sie sich ignoriert fühlte. Der Dialog der Wahrheiten bringt ans Licht, dass ihre Kollegen diese Situationen anders wahrgenommen haben und ihre Handlungen missinterpretiert wurden. Durch das offene Gespräch entwickeln die Teammitglieder ein gegenseitiges Verständnis und erstellen danach gemeinsam neue Kommunikationsregeln, die Klarheit und Transparenz fördern.
Fazit
Die Anwendung der Methodik der Klärungshilfe durch Führungskräfte kann ein mächtiges und zugleich einfaches Werkzeug sein, um Konflikte im Team in einem frühen Stadium anzusprechen und zu lösen. Es erfordert Mut, Empathie und die Bereitschaft, tiefere Einsichten in die zwischenmenschlichen Dynamiken zu gewinnen. Durch die sorgfältige Vorbereitung und Führung des Prozesses können Sie als Führungskraft nicht nur Konflikte lösen, sondern auch das Vertrauen und die Zusammenarbeit in Ihrem Team stärken.