Zwischen Patientenwohl und Personalmangel: Konfliktlösung im Gesundheitswesen mit Klärungshilfe
Erfahren Sie, wie die Klärungshilfe im Gesundheitswesen dazu beiträgt, die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams zu verbessern und wie sie trotz personellem Druck und hohen Erwartungen nachhaltige Konfliktlösungen ermöglicht.
KONFLIKTE IN ORGANISATIONEN
Die tagtäglichen Herausforderungen im Gesundheitswesen
Im Gesundheitswesen sind Konflikte keine Seltenheit. Ärzte, Pfleger und anderes medizinisches Personal stehen oftmals unter immensem Druck: Schichtpläne, die kaum Spielraum für Privatleben lassen, der ständige Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte und der hohe Anspruch, täglich Leben zu retten und Patienten bestmöglich zu versorgen. Diese belastenden Bedingungen setzen das Teamgefüge ständig unter Spannung.
Doch was geschieht, wenn unter solch drückenden Umständen Konflikte entstehen? Wenn unterschiedliche Meinungen dazu führen, dass die ohnehin gestressten Fachkräfte einander nicht nur nicht unterstützen, sondern sich aktiv behindern?
Hier kann die Klärungshilfe nach Christoph Thomann wertvolle Dienste leisten.
Verständnis schaffen durch Klärungshilfe
Klärungshilfe ist ein strukturierter Prozess, der darauf abzielt, die Konfliktparteien nicht nur miteinander ins Gespräch zu bringen, sondern tiefgehende Einsichten in die jeweils andere Perspektive zu ermöglichen.
Im Gesundheitswesen – wie etwa in einem Ärzteteam oder im Pflegebereich – treten oft Interessenskonflikte auf. Dienstpläne werden zur Quelle von Unmut, weil sie nur schwer die Wünsche und Bedürfnisse aller Mitarbeitenden berücksichtigen können. Es bilden sich schnell Parteien oder Cliquen, die zu einer weiteren Verschärfung der Situation beitragen: Ärzte gegen Pflegekräfte, erfahrene Mitarbeitende gegen Neulinge, oder unterschiedliche Abteilungen untereinander.
Mit der Klärungshilfe wird ein dialogischer Prozess in Gang gesetzt, der allen Beteiligten erlaubt, ihre Sichtweisen und Gefühle offen darzulegen. Ein Klärungshelfer sorgt dafür, dass dieses Gespräch strukturiert und mit Respekt geführt wird. Dies beruhigt die Emotionen, sorgt für Klarheit und gibt Raum für tiefes gegenseitiges Verständnis.
Bedingungen und Herausforderungen der Klärungshilfe im Gesundheitswesen
Eine zentrale Bedingung für den Erfolg der Klärungshilfe ist das Vorhandensein einer Führung, die den Prozess aktiv unterstützt und vorbereitet ist, die Beteiligten während der gesamten Klärung zu begleiten.
In stressreichen Umgebungen wie Krankenhäusern gestaltet sich dies oft schwierig. Führungskräfte sind selbst stark beansprucht und scheuen mitunter den zusätzlichen Aufwand, den eine sorgfältige Konfliktklärung im Team mit sich bringt. Doch nur mit diesem Engagement kann die Klärungshilfe effektiv wirken: Die Führungskraft muss Vertrauen in den Klärungshelfer haben, den Dialog der Wahrheiten voll und ganz wollen und sich den dabei entwickelten Lösungen verpflichtet fühlen.
Zudem muss der Klärungshelfer darauf vorbereitet sein, mit emotional intensiven Situationen umzugehen. Oft kommen im Verlauf der Klärung tiefsitzende, schwierige Gefühle ans Licht – Wut, Resignation oder gar Hass. Diese sind jedoch keine Hindernisse, sondern integraler Bestandteil eines erfolgreichen Klärungsprozesses.
Chancen und Risiken
Die größte Chance der Klärungshilfe liegt darin, dass durch ein tiefes gegenseitiges Verständnis tragfähige und nachhaltige Lösungen gefunden werden können: Verletzungen heilen, Missverständnisse klären sich und neue, konstruktive Umgangsweisen im Team etablieren sich. Ehemals verhärtete Fronten können aufgelöst werden, und aus isolierten Konfliktparteien kann ein wieder handlungsfähiges Team hervorgehen.
Allerdings birgt der Prozess auch Risiken. Es besteht die Gefahr, dass alte Wunden aufgerissen werden, die sich nicht ohne Weiteres schließen lassen. Die Erwartungen an eine schnelle Lösung sind hoch und können zu weiteren Enttäuschungen führen, wenn der Prozess länger dauert als erhofft. Hierbei ist es besonders wichtig, von Anfang an realistische Zeitpläne zu setzen und sich bewusst zu machen, dass tiefliegende Konflikte nicht über Nacht gelöst werden können.
Ein weiteres Risiko besteht darin, dass Machtungleichgewichte einen fairen Dialog beeinträchtigen können[5]. In hierarchisch geprägten Strukturen des Gesundheitswesens muss der Klärungshelfer darauf achten, dass alle Stimmen Gehör finden und dass nicht durch Machtpositionen dominierende Perspektiven den Prozess einseitig beeinflussen.
Ein Beispiel aus der Praxis
Ein konkretes Beispiel zeigt, wie eine Klärungshilfe helfen kann:
Ein interdisziplinäres Team einer Klinik – bestehend aus Ärzten und Pflegekräften – kämpft seit Monaten mit hohen Ausfällen und einem katastrophalen Arbeitsklima. In der Selbstklärungsphase äußert jede Partei ihre Perspektiven und Gefühle: Ärzte klagen über mangelnde Unterstützung durch die Pflege, während Pflegekräfte sich nicht ausreichend wertgeschätzt fühlen und die Last der Schichtpläne beklagen.
In der darauffolgenden Dialogphase schafft es der Klärungshelfer durch Doppeln und dialogisches Verlangsamen, tiefere Einblicke zu den Bedürfnisse und Verletzungen der einzelnen Teammitglieder ans Licht zu bringen. Die Pflegekräfte lernen, die berufliche Überforderung der Ärzte zu sehen, während die Ärzte begreifen, wie sehr die Pflegekräfte unter den Arbeitsbedingungen leiden.
Dieser gegenseitige Respekt und das gewonnene Verständnis bilden die Grundlage für neue Vereinbarungen im Umgang miteinander und im Arbeitsalltag. Das Team einigt sich auf verbindliche Kommunikationswege und die Anpassung der Dienstpläne, soweit es die organisatorischen Bedingungen erlauben.
Fazit
Klärungshilfe kann im Gesundheitswesen eine bedeutende Rolle spielen, indem sie tiefe Einblicke vermittelt und den Weg zu nachhaltigen Lösungen und besseren Zusammenarbeit ebnet. Trotz der Herausforderungen und Risiken bietet die Methode wertvolle Werkzeuge, welche die gefährdeten Teamstrukturen sanieren und langfristig festigen können.